Anfang 2019 wurde der Mezopotamien Verlag und MIR Multimedia durch das Innenministerium unter Horst Seehofer (CSU) verboten. Dagegen hat der Verlag Klage eingereicht, die heute verhandelt wird.
Kulturgüter sind kein Terrorismus
2019 wurde die Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH und die MIR Multimedia GmbH durch das Innenministerium unter Horst Seehofer (CSU) verboten. Beiden wurde vorgeworfen, dass der Geschäftsbetrieb allein der Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhangs der PKK diene.
Kurz nach Erlass der Verbotsverfügung wurden die gesamten Verlagsbestände, insgesamt 50.000 Werke kurdischer Kultur beschlagnahmt. Es wurden unter anderem Geschichtswerke, Prosa und Kinderbücher mitgenommen. Bis heute wurde dieses Archiv kurdischer Bücher nicht zurückgegeben. Die ebenso beschlagnahmten Bestände des MIR dürften die größte musikalische Sammlung kurdischer Werke enthalten. Auch diese Werke stehen bis heute unter Verschluss.
Obwohl keines dieser Werke verboten ist, wurden sie von den deutschen Behörden sichergestellt. Das ist faktisch Zensur und ein Angriff auf die kurdische Kultur und Identität.
„Es ist ein Demokratiedefizit wenn die Organisierung in Kultur- Verlags- und Medienbetrieben sowie Vereinen vom deutschen Staat als Terrorismus verfolgt wird. Es ist einer Demokratie unwürdig traditionelles Liedgut sowie Geschichts- und Kinderbücher zu konfiszieren und wegzusperren.“ Kommentierte Zübeyde Zümrüt, Ko-Vorsitzende von KON-MED.
Der Vorwurf dem „organisatorischen Zusammenhalt“ der PKK durch den Verkauf von Literatur und Musik Vorschub zu leisten ist selbst entlarvend. Die Bundesrepublik handelt nach der Erdoganschen Maxime „was kurdisch ist, ist PKK, was PKK ist, ist terroristisch“. Ob die deutschen Behörden das selber glauben ist nicht sicher, aber sie sind offensichtlich bereit nach dieser Erzählung zu handeln und Kurd*innen zu diskriminieren. Ganz im Sinne des deutschen Partners Türkei.
Im Sinne und Geiste der Türkei handelt die Bundesrepublik auch, wenn eine Klage gegen die Verbote der beiden Medienvertriebe dadurch erschwert wird, dass die Anwält*innen keinen Zugang zu den beschlagnahmten Büchern und Medien bekommen. Auch der Zugang zu den Geschäftsunterlagen musste erstritten werden.
Die PKK von der EU Terrorliste streichen
Das Verbot der beiden Medienbetriebe ist ein Paradebeispiel dafür wie Kurd*innen durch das PKK-Verbot bei vermeintlicher Mitgliedschaft oder Unterstützung der PKK von politischem und kulturellem Engagement abgehalten werden, während in ihren Heimatländern (Türkei, Irak, Syrien, Armenien) Krieg herrscht. Jeder dieser Kriege wird von der Türkei selbst geführt oder findet unter der Schirmherrschaft der Türkei statt, in jedem dieser Kriege sterben Verwandte von seit langem in Deutschland ansässigen Menschen. Engagement in Bezug auf „kurdische Probleme“, die zumeist keine kurdischen Probleme sind, sondern Probleme mit denen sich die Kurd*innen zuerst auseinander setzten müssen, weil Kurd*innen zuerst davon betroffen sind, wie beispielsweise neoosmanische Politik der Türkei oder der Vormarsch des Daesh (dt. „Islamischer Staat im Irak und Syrien“), wird immer wieder unter verweis auf das PKK Verbot und die Listung der PKK auf der EU Terrorliste kriminalisiert.
Legitimer Protest gegen Verfolgung, legitimer Widerstand gegen Unterdrückung und das legitime Leben kurdischer Kultur wird immer wieder mit dem Vorwurf des Terrorismus überzogen.
„Die PKK gehört auf keine Terrorliste, unter dem Vorwand des PKK Verbots werden Kurd*innen diskriminiert“ so Engin Seven, Co-Vorsitzender von KON-MED
„Gerade weil die PKK trotz des Verbotes in Deutschland weiterhin aktiv ist, ist es notwendig und geboten, die PKK in ihre Schranken zu weisen und die Einhaltung der Rechtsordnung sicher zu stellen“ erklärte Seehofer 2019 in einer Mitteilung. Diese Begründung des Verbots der beiden Medienbetriebe spricht für sich: Es wird verboten, weil es illegal ist. Darin erschöpft sich die Argumentation Seehofers. Es ist an der Zeit das Verbot aufzuheben.
Dieser Meinung sind auch andere: Die Initiative justice for kurds fordert den Rat der Europäischen Union auf die PKK von der Terrorliste zu streichen.
Solidarität
Über Solidarität können sich auch der Mezopotamien Verlag und MIR Multimedia freuen. Anlässlich des Prozesstermins haben mehr als hundert Einzelpersonen, Buchhandlungen, Verlage und andere kulturelle Einrichtungen eine Solidaritätserklärung abgegeben. Der Appell trägt den Titel „Gegen politische Zensur und die Einschränkung von Publikationsfreiheit und kultureller Vielfalt – für die Aufhebung des Verbots des Mezopotamien Verlags und des Musikvertriebs MIR Multimedia“. Außerdem fordert das Rojava-Solidaritätsbündnis Leipzig die Aufhebung des Verbots der beiden Medienbetriebe und der Unrast Verlag, Edition 8 und der Mandelbaum Verlag haben gemeinsam eine Spendenkampagne ins Leben gerufen. Mit den Spenden sollen die wichtigsten deutschsprachigen Bücher in den drei Verlagen neu aufgelegt werden. Ein wichtiger Schritt um kurdische Kultur wieder zugänglich zu machen, doch kein Ersatz für einen kurdischen Verlag:
Das Verbot des Mezopotamien Verlags und der MIR Multimedia muss aufgehoben werden!
KON-MED, den 25.01.2022